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Das Universum

Ich gehe durch die Innenstadt von Coburg. Am Schlossplatz bemerke ich schöne Holzbänke an der Mauer, die den Platz zum Park hin abgrenzt. Es ist ein warmer Frühsommertag und ich setze mich auf die Bank, einfach um den Tag zu genießen und meinen Gedanken nachzugehen.

Im Physikunterricht habe ich gelernt, dass mein Gewicht auf die Bank eine Kraft wirken lässt und diese durch Reaktionskräfte  in der Bank und der Erde im Gleichgewicht gehalten werden. All das ereignet sich mühelos. Es bedarf keiner Absicht, keines Willens und keiner Anstrengung, da es spontan und natürlich in den Beziehungen der kleinsten Teile der Materie stattfindet. So ist es überall im Universum. Wir leben in einem mühelosen und absichtslosen Universum. Die Eigenschaften und Beziehungen des Kleinen gestalten das Große.

Alles in mir und um mich herum ist aus Atomen aufgebaut, ich selbst, die Bank und die Erde. Jedes dieser Atome ist vor langer Zeit in einer Sonne geboren worden, möglicherweise einer Sonne, die es schon lange nicht mehr gibt. Wahrscheinlich gibt es da doch Ausnahmen. In mir und um mich herum gibt es Wasser und Kohlenwasserstoffe. An diesen Molekülen sind Wasserstoffatome beteiligt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass  ein Teil dieser Wasserstoffatome schon seit Anbeginn des Universums existiert. Wäre das Dasein eines Wasserstoffatoms mühsam, so hätte es sich in diesen Milliarden von Jahren erschöpft. Ich schaue mich um. Menschen hasten oder schlendern an mir vorbei. Autos und Busse fahren auf der entfernten Straße. Nirgendwo hier und auch sonstwo im Materiellen, nicht einmal in meinem Körper, gibt es Mühe und Konflikt. Die wenigen Orte im Universum, in denen es Mühe und Konflikte gibt, sind unsere Köpfe.

Meine Hand berührt die schön geschliffenen Holzlatten der Bank. Sie sind hart und fest und biegen sich kaum unter meinem Gewicht. Seltsam wird es, wenn wir uns dem Kleinen nähern, aus dem diese Bank besteht, den Atomen. Mitte des 20. Jahrhunderts konnten diese das erste mal beobachtet werden. Schon da war klar, dass es zwischen den Atomen viel "Nichts" gibt. Auch war bald klar, dass Atome ihrerseits aus kleinen Teilen bestehen, den Elektronen und dem Atomkern und dazwischen sehr viel "Nichts". Als man sich dem Atomkern annäherte, passierte das Gleiche, man fand weitere Teilchen, die Protonen und Neutronen und wiederum viel "Nichts". Letztlich ging es so weiter. Wenn ich diese Entwicklung weiterdenke, so gehe ich davon aus, dass es gar kein "Etwas" gibt. Das ganze Universum scheint nur aus Beziehung (Energie) und Wirkung (Impuls) zu bestehen, wobei die Wirkung nur eine Änderung der Beziehungen darstellt.

Wenn es im Universum keine Mühe und keine Absicht gibt, es auch keinen Willen braucht, um all das zu gestalten, wie kommt es, dass ich hier in Coburg auf einer Bank sitzen und über das Universum nachdenken kann? Viele tausend Jahre haben Menschen über solche Fragen nachgedacht. Dann Mitte des 19 Jahrhunderts, mit dem Aufkommen von Dampf- und Verbrennungsmaschinen, versuchten Physiker einen geradezu selbstverständlichen Vorgang in der Natur zu beschreiben. Stellen sie einen Topf auf eine heiße Herdplatte oder nehmen sie einfach einen warmen Stein in die Hand. Es ist völlig klar, dass nun der Topf bzw. die Hand warm wird und der Stein bzw. die Herdplatte sich abkühlen. Die relevanten Eigenschaften der Dinge und die zugrundeliegenden Beziehungen waren bald gefunden. Alle Methoden, die die Physik dafür zur Verfügung stellte, waren vorhanden. Ein Problem ließ sich jedoch nicht so einfach lösen. Es gab nur eine Richtung bei diesem Vorgang, von Warm zu Kalt. Nie wurde beobachtet, dass die kalte Hand noch kälter wurde und dabei der warme Stein noch wärmer. Man fand bei diesen Prozessen eine Größe, die so etwas wie Ordnung beschreibt, die Entropie. Die Untersuchungen führten zu einer neuen Sparte der Physik, der Thermodynamik. Die wesentlichen Gesetzmäßigkeiten nennt man die Hauptsätze der Thermodynamik. Von diesen Hauptsätzen, insbesondere dem 2.ten Hauptsatz, kann man ableiten, dass in einem System, wie z.B. der Erde, durch das kontinuierlich Energie fließt, wie z.B. von der Sonne zur Erde, sich entlang dieses Flusses Strukturen bilden, also Ordnungen entstehen können. Heute ist man sich in der Wissenschaft sicher, dass es nicht mehr brauchte, damit auf der Erde Leben entstehen konnte. Man weiß auch, dass sich all das aus dem mühelosen und absichtslosen Zusammenwirken kleinster Teilchen ableitet.

Ich erinnere mich an die warmen Sommerabende meiner Kindheit, wo wir unter dem nächtlichen Sternenhimmel staunend im Graß der Flutmulde lagen. Ich empfinde immer noch das gleiche Wunder und die überwältigende Größe. Da ist noch ein Gefühl jenseits der Demut. Es kommt aus der unfassbaren Feinheit und der unschuldigen Reinheit, die in dem spontanen natürlichen Gestalten liegt. Mein Verstand kann das nicht erfassen, meine Seele erfasst es sofort.