Genesis I – Der Anfang aller Dinge
Am Anfang war das Feine.
Das Feine liebt Entfaltung und das Feine entfaltet Raum und Zeit.
Das Feine liebt Verbundenheit und Feines verband sich zu Materie.
Und so kam mit der Entfaltung Wandlung in die Welt und mit der Materie Dauerhaftigkeit.
Doch das Feine blieb auch in der Welt der Materie erhalten. Materieteilchen sind ständig in Bewegung, können auf vielfältige Weise in Verbindung treten und spontan untereinander Energie und Materie austauschen.
Das Feine liebt spontanen Austausch.
Und so bringt das Feine Dinge hervor.
Und auch im Miteinander der Dinge findet Austausch, Entfaltung, Verbundenheit, Dauerhaftigkeit und Bewegung statt und so entsteht natürliche Entwicklung.
Das Feine liebt natürliche Entwicklung.
Mit Entwicklung in der Welt der Dinge entsteht Vielfalt und Wandlung.
Das Feine liebt Vielfalt und es liebt Wandlung im Reich der Dinge.
Das Feine ist zugleich das kleinste Teilchen und das Miteinander der Teilchen.
So ist das Feine feiner und umfassender, als es ein Gedanke oder ein Wort je sein kann und da Wille, Absicht und Ziele Kinder des Denkens sind, ist es auch feiner und umfassender als jeglicher Wille, jegliche Absicht und jegliches Ziel. Und so braucht das Feine auch keine Absicht, keinen Willen und kein Ziel und so braucht es nichts zu kontrollieren.
Manchmal ergibt es sich, dass ein Planet entsteht, auf dem Regen fällt, Flüsse fließen und Wind über Länder und Seen streicht. Dort, wo das Feine sich entwickelt, gestalten sich die Dinge mit der Zeit so, dass sie auf wundersame Weise bis ins Feinste aufeinander abgestimmt sind. Das Miteinander der Dinge, zuerst wild und ungestühm, formt sich zu einer Art Melodie. Wie eine Fuge von Johann Sebastian Bach mit Milliarden von Stimmen.
So spielte das Feine Leben auf die Erde.
Das Feine liebt das Leben.
Genesis II – Menschwerdung
Ein Leben als Mensch ist ein Wunder und ein Rätsel. Wir haben die Möglichkeit, Leben in seinen vielfältigen Erscheinungsformen zu betrachten und vieles davon zu verstehen. Ebenso ist uns die Möglichkeit gegeben, das Leben als Ganzes in seinem Wesen zu begreifen. Es ist so, als wenn wir Menschen dem Leben die Möglichkeit eröffnen, sich selbst zu betrachten, zu fühlen und im Wesen zu verstehen.
Wahrnehmen, Empfinden und Verstehen sind die essentiellen Zutaten, aus denen Güte wachsen kann, Güte als Individuum, als Teil einer Gemeinschaft, Teil eines Ökosystems und Teil des globalen Prozesses, den wir Leben nennen.
Doch das Leben macht es einem nicht leicht. Da ist die unfassbare Schönheit in unzählbaren Formen, die unbegreifliche Feinheit des Gestaltens und die liebevolle Zugewandheit in der Stille. Und da ist Krankheit, Einsamkeit, Tod und bisweilen grausamste Vernichtung und unerträgliches Leid.
Unmissverständlich macht uns das Leben klar, es gibt kein Überleben. Wandlung, Verbundenheit und Austausch unter den Lebenden sind die übergeordneten Prinzipien. Leben ist nicht ein Etwas, das mir gehört, es ist ein Prozess, der alles Lebendige umfasst. Unser Leben als einzelnes Lebewesen dient notwendiger Weise diesem Prozesses und so an erster Stelle dem Leben als Ganzes.
Einige alte Kulturen sahen die Vollständigkeit der Hingabe an das Leben liegt darin, dass das eigene Leben nach seinem Ende möglichst keine Spruren hinterlässt und gänzlich in dem Prozess des Lebens aufgeht.
Von Anfang an war Hingabe an das Leben Dienst am Leben. Eine Hingabe, die das Leben bejaht, das eigene Erleben und die Möglichkeiten eigenen Gestaltens.
Leben ist ein natürlicher sich selbst organisierender Prozess. Damit Leben den Anforderungen einer sich ständig wandelnen Welt gewachsen ist, muss jedes Lebewesen die Möglichkeit haben, sich zu entfalten. Dabei stößt das sich entfaltende Lebewesen auf andere Lebewesen, die sich ebenfalls entfalten und Zonen der Intensität entstehen. Jede denkbare Form von Intensität entwickelte sich, von feinster Kooperation bis grober roher Gewalt.
Die individuelle Entfaltung kam in die Welt.
So wurde die Entwicklung von vielfältigen Möglichkeiten der eigenen Entfaltung zum Dienst am Leben.
Mit dem Aufkommen des Lebens auf der Erde ist alles Lebendige, von der einzelnen Zelle bis zum Menschen, ausgestattet mit der Fähigkeit wahrzunehmen, ob etwas gut tut oder nicht gut tut.
Das Wohlbefinden kam in die Welt und mit dem Wohlbefinden die Selbstfürsorge.
So wurde die Sorge für das eigene Wohlbefinden zum Dienst am Leben.
Wenn sich Lebewesen in ihrem Bemühen um ihr Wohlbefinden gegenseitig unterstützen, entstehen neue Möglichkeiten der Entwicklung und Entfaltung.
Mitgefühl, Gemeinschaft und Geborgenheit kam in die Welt.
So wurde die Entwicklung von mitfühlenden sich gegenseitig unterstützenden Gemeinschaften zum Dienst am Leben.
Einige Lebewesen, wie die Menschen, hatten die Möglichkeit entwickelt, Erleben zu Erinnerungen und Erfahrungen zu verdichten und zu vernetzen. Wesenheiten und Beziehungen entstanden im Inneren der Lebewesen und auch die Möglichkeit, sich im Spiegel der Welt selbst zu erkennen.
Erkennen und Lernen kam auf die Welt und mit dem Lernen eine neue Art der Entwicklung und Entfaltung.
So wurde Lernen zum Dienst am Leben.
Mit den Menschen kam die Möglichkeit zu sprechen und damit zu Denken auf die Welt und so die Möglichkeit, Erinnerungen und Erfahrungen im Inneren aufzurufen und ihnen Fortdauer zu geben.
Damit kam Geist auf die Welt und mit der Entwicklung von Geist eine weitere neue Art der Entfaltung.
So wurde die Entwicklung von Geist zum Dienst am Leben.
Die Menschen entdeckten während der Entwicklung von Geist, die Zählbarkeit im Materiellen und im materiellen und energetischem Austausch. Eigenschaften der Materie und dessen energetischer Austausch sind zähl- und damit messbar.
Die Ebene des Materiellen wurde berechenbar.
Das analytische differenzierende Betrachten und damit die wissenschaftliche Rationalität kam auf die Welt und damit eine neue Art und Weise der Entwicklung und Entfaltung.
Die Entwicklung der Wissenschaften wurde ein Dienst am Leben.
Dann ereignete sich etwas für das Leben zutiefst Verstörendes. Die Ebene des Materiellen wurde nicht nur berechenbar, sie wurde damit auch kontrollierbar.
Der Geist der Kontrolle kam auf die Welt und er wurde sehr mächtig. Von seiner Macht berauscht erhob er den alleinigen Anspruch auf die Gestaltung der Welt.
So kam der Geist der Kontrolle auf die Welt und dort, wo er sich der Macht zuwendete, wurde er zum Verrat am Leben.
Der Geist der Kontrolle ist auf die Kontrolle von Materie und Energie beschränkt, aber in seiner Macht, Eitelkeit und Überheblichkeit begann er alles Lebendige wie Dinge zu behandeln.
Und so kam die Entwürdigung auf die Welt und auch sie ist Verrat am Leben.
Der Verrat am Leben durch Entwürdigung, ist besonders schwerwiegend. Ein entwürdigter Mensch macht die Erfahrung, dass sein Erleben als Mensch nichts Wert ist. Er kann sich dann nur zur Wehr setzen oder Anpassen und so verliert er nach und nach das Gefühl für seine Würde und die Würde seiner Mitmenschen. So kommt es, dass er seinerseit entwürdigt, sich selbst und/oder andere Menschen. Entwürdigung ist ansteckend und sie entwickelte sich zu einer weltumspannenden psychosozialen Pandemie.
Alles Lebendige braucht einen spezifischen Zugang zu Materie, Energie und Lebensraum. Damit hat der Geist der Kontrolle alles Lebendige in seiner Hand. Er verknüpft alles lebensnotwendige Materielle mit Funktionalitäten und damit mit der Anforderung zur Unterwerfung. Zeit, Nutzen, Funktion und Effizienz begannen das Leben zu diktieren.
Doch der Geist der Kontrolle bekam ein unlösbares Problem, die schier unendliche Komplexität des Lebens. Das Leben entwickelt sich vom Miteinander der kleinsten Teile zum Miteinander der größeren Teile. So gestaltet das Leben in größter Feinheit und es gestaltet überall und in Allem zur gleichen Zeit. Und da es kein Ziel, keine Absicht oder Willen für sein Gestalten braucht, ist die Komplexität der lebendigen Welt keine Beschränkung für das Leben und so bleibt das Gestalten des Lebens in seiner unfassbaren Komplexität völlig mühelos.
Für den Geist der Kontrolle jedoch ist die Komplexität dieser Welt ein unlösbares Problem. Mit zunehmender Komplexität steigert sich der Aufwand an Energie, Recourcen und Arbeitskraft ins Maßlose, um die Kontrolle aufrecht zu erhalten.
Der Geist der Kontrolle merkte, dass er seinen Anspruch auf alleiniges Gestalten verlieren muß, sich dem Leben unterordnen muß und damit seine Macht, seine Überheblichkeit und Eitelkeit aufgeben muß. Doch kampflos war er nicht bereit seine Ansprüche aufzugeben.
Der Wissenschaft wurde klar, dass sie nicht nur Wissen schafft, sondern auch Möglichkeiten des Gestaltens und, damit untrennbar verbunden, Möglichkeiten der Kontrolle. Ihr wurde auch klar, dass in einer sich natürlich selbstorganisierenden Welt schon das Erschaffen von Möglichkeiten das Leben selbst verändert.
Die Verantwortung der Wissenschaft und ihrem Sproß, der Technik, dem Leben gegenüber kommt in die Welt und sie zu entwickeln, ist Dienst am Leben.
Letztlich ist Kontrolle eine Illusion, denn die Kontrolle bleibt immer grob und fehlerbehaftet. Mit zunehmender Macht entgleitet dem Geist die Kontrolle. Kontrolle erfordert differenzierendes Denken und differenzierendes Denken führt wiederum zur Zersplitterung des Geistes in Interessen, deren Erfüllung der Geist der Kontrolle seit jeher versprach. Macht richtet sich gegen Macht. Nicht die natürliche Entfaltung auf der Grundlage dessen, wer man ist, bestimmte den Platz, den man im Leben einnimmt. Der Platz im Leben entwickelte sich aus dem, was man besitzt.
So befindet sich die Menscheit, seit dem der Geist der Kontrolle das Licht der Welt erblickte, im Krieg. Da gibt es Kriege um Resoucen, wie Land, Bodenschätze und alles andere Materielle. Da gibt es Kriege um die Deutungshoheit und damit um die Kontrolle im Reich des Geistes. Und da gibt es Kriege um Symbole, bei denen es darum geht, Kontrolle über die Emotionen der Menschen zu erlangen.
So brachte der Geist der Kontrolle den Krieg auf die Welt und auch er ist Verrat am Leben.
Bisher konnte sich der Geist der Kontrolle darauf verlassen, dass das Leben alles weiterhin erschuf bzw. erhielt, welches eine Feinheit im Gestallten erfordert, die für die Kontrolle unerreichbar bleibt. Doch das Leben braucht freien spontanen Austausch vom ganz Kleinen bis zum Großen. Je weiter der freie und spontane Austausch unter allem Lebendigen und damit der Raum zur Entwicklung des Lebens, zurückgedrängt wurde, nahm auch die Fähigkeit des Lebens ab, all das Lebensnotwendige zu erschaffen und zu erhalten.
Darum begann der Mensch den freien und spontanen Austausch unter allem Lebendigen vor der Kontrolle zu schützen und dieser Schutz ist Dienst am Leben.
Das Leben braucht Austausch, Verbundenheit, Hingabe und integrierendes Denken. Und da Geist sich in den Köpfen der Menschen ereignet, braucht es all das, sowohl in der Welt, als auch im eigenen Inneren und im Mitteinander der Menschen. Das Feine im Menschen, die Seele, die sich frei und spontan mit allem verbindet, wird wieder an der Gestaltung der Welt beteiligt.
So wandelt sich Macht zu Verantwortung und aus funktionierenden entwürdigten Menschen, Tieren und Pflanzen werden lebendige Menschen, Tiere und Pflanzen. Aus kontrolliertem Leben wird sich wandelndes, entwickelndes und entfaltendes Leben.
Damit kam Verantwortung für das Leben in die Welt, die das Leben vor der destruktiven Macht der Kontrolle schützt.
Und so ist die Übernahme von Verantwortung für das Leben als Ganzes Dienst am Leben.
Der menschliche Geist ist auf diese Weise offen für das Leben und so kann er dem Feinen zuhören, dem Feinen in sich selbst, dem Feinen in seinen Mitmenschen und dem Feinen in seinen Mitlebewesen. Der menschliche Geist kann auf die Seele achtgeben, dass diese sich nicht in Abgründen lebloser Gedankenwelten verfängt, sondern dass sie aktiv am Gestalten guter Beziehungen beteiligt ist.
So kann sich die Schönheit und die Liebe des Lebens offenbaren, indem sich die Sinne und das Herz öffnen und Leben ins Innere lässt. Die Grenze zwischen Innen und Außen wird durchlässig und bisweilen bedeutunglos, ebenso ein Anfang und ein Ende.
Der Geist der Menschen wird durchlässig für die Seele und so kommt das Feine in das Leben der Menschen zurück und mit ihr befreiende Freude und heilende Trauer.